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AutorenbildTrixi

Die 30 Stunden-Woche - mehr als ein Wunschdenken?


Hallo und Herzlich willkommen bei Trixis These!

Heute beschäftige ich mich mit der Frage, was derzeit der Konsens zur 30-Stunden-Arbeitswoche ist. Hier gehe ich im Speziellen auf klassische Nine to Five Bürojobs ein.

Aber zuallererst schauen wir uns mal die historische Entwicklung der Arbeitszeit an. Im Jahr 1870 gingen Arbeitnehmer in Deutschland noch über 60 Stunden in der Woche arbeiten, bis 1980 ist die Arbeitszeit kontinuierlich bis auf 40 Stunden pro Woche gesunken. Eine beachtliche Entwicklung!
Dem damaligen Trend nach müssten wir 2021 - also ca. 40 Jahre später ja bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von ungefähr 30 Stunden pro Woche angekommen sein.

Nichts da!

Seit 1992 liegt die durchschnittliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten bei 38 Stunden. Diese Zahlen erhebt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jährlich.


Na gut, nun wissen wir, dass sich in den letzten 40 Jahren in Sachen Arbeitszeitreduzierung nichts getan hat.

Es gibt aber Hoffnung, denn seit einigen Jahren ist die Reduzierung der Arbeitszeit in der Gesellschaft, in der Politik und in der Wirtschaft wieder Thema.

Denn seitdem sich die deutsche Wirtschaft von der Finanzkrise 2008 erholte, wurden die Arbeitnehmer selbstbewusster. Es mangelt an Fachkräfte und die Arbeitslosenzahlen sinken immer weiter. Das wissen die Beschäftigten. Das empowert Kräfte sowie den Wunsch, nach einem lebenswerteren Alltag, wo auch mehr Freizeit dazugehört.


Der Ist-Zustand ist von diesem Wunsch jedoch noch weit entfernt.

Unternehmen reduzieren ihre Personalkosten, indem sie frei werdende unbefristete Stellen nicht wiederbesetzten. Dadurch steigt die Arbeitsbelastung, woraus wiederum resultiert, dass die Arbeitsintensität sowie der Termin und Leistungsdruck eines jeden Arbeitnehmers steigt. Das ist eine große Belastung für die Beschäftigten. Hier kommt der aktuelle Diskurs zu anderen Arbeitszeitmodellen wie der 30-Stunden oder 4-Tage-Woche gerade recht.


Kritische Stimmen würden jetzt so etwas Fragen wie:
Wenn Arbeitnehmer bei einer 40 Stunden Woche schon über Arbeitsbelastung klagen, wie sollen sie die gleiche Arbeit denn in 30 Stunden schaffen?

Befürworter haben seit Juli dieses Jahrs einen neuen Beleg, der diese implizierte These der vorangestellten Frage widerlegt. Denn im Juli wurden die Ergebnisse des großangelegten Feldexperimentes zur 4-Tage-Woche in Island veröffentlicht. In zwei Testläufen nahmen fast 3.000 Personen teil, von denen viele ihre Arbeitszeit reduzierten. Genauer gesagt von 40 auf bis zu 35 Stunden wöchentlich Senkten.


Und was soll ich sagen?
Dieses Experiment war ein voller Erfolg!
Die Produktivität der Teilnehmenden blieb gleich oder wurde sogar besser!
Das schafften sie z.B. dadurch, dass die Arbeits- und Kommunikationsstrukturen überarbeitet und Meetings gestrichen oder verkürzt wurden. Außerdem wurden nach Aufgaben gesucht, die ersatzlos gestrichen werden konnten. Offensichtlich ging es in den Unternehmen durch die geringere Arbeitszeit genauso gut, wie davor.

Aber was veränderte sich für die Studienteilnehmer?
Laut der Studie stiegt das Wohlbefinden der Teilnehmenden. Das Risiko in ein Burnout zu geraten ist gesunken.

Die positiven Veränderungen für die Arbeitnehmer belegen auch andere Studien, Experimente und Maßnahmen von Unternehmen. Im Jahr 1930 führte der Cornflakes Riese W.K. Kellogg in einer seiner Fabriken einen 6-Stunden-Tag ein. Die Maßnahme war sehr erfolgreich. Die Produktivität stieg hier ebenso. Außerdem berichteten die Fabrikarbeiter, dass sie nun wirkliche Mußezeit haben. Sie hatten Zeit für Dinge, die sie gerne mochten, wie dem Lesen, der Gartenarbeit oder um Sport zu treiben. Außerdem gab es einen Run auf Kirchen und Gemeindezentren, weil nun Zeit war am Leben der Gesellschaft teilzunehmen.


Okay Stopp!

Wo ist der Haken fragst du dich jetzt sicherlich?

Warum haben wir das in Deutschland noch längst nicht eingeführt?

In Deutschland ist die wöchentliche Arbeitszeit im Arbeitszeitgesetz festgesetzt. Dieses Gesetz wurde 1994 erlassen. Daher kann nur der Deutsche Bundestag eine einheitliche bundesweite Änderung der Arbeitszeit gesetzlich festlegen und veranlassen.


Außerdem herrscht in Deutschland Tarifautonomie. Das heißt, dass individuelle Arbeitsbedingungen, wo die Arbeitszeit natürlich auch reinfällt, in Tarifverträgen festgeschrieben werden. Das ist die Aufgabe der Gewerkschaften, welche die Tarifverträge mit Unternehmen verhandeln.

Die Beschäftigten der Unternehmen müssen die Arbeitszeitreduzierung wollen, sodass die Gewerkschaften diesen Wunsch in Tarifverhandlungen nachgehen können.


Ein anderer Weg ist, dass Unternehmen die 30-Stunden-Woche begrüßen und diese selbständig einführen. Ein großer Recruiting-Dienstleister und eine Kreativagentur aus Dresden haben auf Wunsch der Geschäftsführung eine 4-Tage-Woche eingeführt und berichten ebenso von diesen positiven Veränderungen.


Es gibt jedoch auch Veränderungen, die von Arbeitspsychologen kritisiert werden. Denn um die gleichbleibende Produktivität zu erzielen, müssen Arbeitnehmer konzentriert arbeiten und dürfen sich nicht ablenken lassen.

Der Plausch in der Kaffeeküche fällt hier ganz weg oder wird auf ein Minimum reduziert. Das kann zu einer kalten Atmosphäre am Arbeitsplatz führen.

Dennoch hat die Reduzierung der Arbeitszeit sehr viele positive Seiten.


Wir halten fest:

Die 30 Stunden Woche verspricht auf den ersten Blick nur positiv, da die Unternehmen mit der gleichbleibenden Produktivität zufrieden sein können und die Arbeitnehmer sich wohler fühlen durch mehr Freizeit. Auf den zweiten Blick muss für die Reduzierung der Arbeitszeit auch eine Verschlechterung des Miteinanders unter Kollegen in Kauf genommen werden. In jedem Fall wird die flächendeckende und branchenübergreifende Arbeitszeitreduzierung noch viele Jahre oder Jahrzehnte dauern.


Was nehmen wir daraus mit?

Dazu stelle ich eine sehr spitze These auf und erzähle dir kurz eine Anekdote.


Im Jahr 1833 erlässt das englische Parlament das Gesetz, dass Kinder im Alter von 13 bis 18 Jahren nicht mehr als 12 Stunden am Tag arbeiten dürfen. Damals brach in der Industrie darüber großes Entsetzen aus, da sie befürchteten, dass die Wirtschaft dadurch zusammenbricht.

Im Jahr 2021 sind verschiedene Wirtschaftseinrichtungen, wie das Wirtschaftsinstitut, gegen eine 30-Stunden bzw. 4-Tage-Woche. Zusammengefasst aus genau denselben Gründen, wie 1833. Sie befürchten einen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Für unsere heutige Gesellschaft ist die Reaktion der Industriellen im Jahr 1833 nicht nachvollziehbar. Jedoch verhalten sich viele der Entscheider heute, wie im Jahre 1833.


Die Unternehmen müssen mutig sein, flexibler werden und die Wünsche der Beschäftigten einbeziehen. Es wird nicht nur das eine richtige Arbeitszeitmodell in der Zukunft geben, sondern viele verschiedene Modelle, die auf die unterschiedlichen Branchen und Bedürfnisse der Beschäftigten angepasst sind. Das positive Miteinander unter Kollegen muss aktiv am Leben gehalten werden, z.B. durch regelmäßige Mitarbeiterevents. Eins ist jedoch klar, die Steigerung der Produktivität und des Wohlbefindens sprechen für neue Arbeitszeitmodelle mit geringerer Arbeitszeit.

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